Containern, Dumpstern, Müllfischen oder -tauchen: Diese Begriffe bezeichnen die Entnahme von Lebensmitteln aus Mülltonnen und -containern. Privatpersonen durchsuchen die Abfallbehälter, vornehmlich des Lebensmitteleinzelhandels, nach (bereits entsorgten) Lebensmitteln, um diese z. B. für sich selbst zu verwenden oder weiterzuschenken.

Seit vielen Jahren branden die Diskussionen um Dumpstern – und ob dieses in Österreich legalisiert werden soll – auf und wieder ab. Aktuell hat das Thema wieder Hochkonjunktur. Grund dafür ist der Fall eines Mannes, der Lebensmittel aus dem Mistkübel einer Supermarktfiliale gefischt hat und von einem Bezirksgericht in 1. Instanz (nicht rechtskräftig) wegen Diebstahls verurteilt wurde. Anzeigen wegen Containerns gab es immer wieder, dieses Urteil ist ein Novum. Eine abschließende Rechtsprechung dazu gibt es bis dato in Österreich nicht.
Im Zuge der Berichterstattung wurden auch wir als Die Tafel Österreich um unseren Standpunkt gebeten. Und der lautet – was manche überraschen mag –, dass wir einer Legalisierung des Dumpsterns kritisch gegenüberstehen. Und zwar vor allem aus zwei Gründen:
1. Es kann gefährlich sein. Seit 25 Jahren retten wir Lebensmittel vor der Entsorgung (nicht aus der Entsorgung) und geben diese kostenfrei an armutsbetroffene Menschen in sozialen Einrichtungen weiter. Lebensmittelrettung und vor allem Lebensmittelweitergabe bedeuten große Verantwortung. Wir müssen Hygiene und Lebensmittelsicherheit für die Menschen, die wir versorgen, gewährleisten können. Dabei unterliegen wir strengen Richtlinien und komplexen Fragen der Qualitätssicherung und Haftung – aber auch einem hohen moralischen Eigenanspruch: denn jeder Mensch hat qualitativ hochwertige und einwandfreie Lebensmittel verdient!
Bereits entsorgte Lebensmittel aus dem Müll zu holen, kann die eigene und (im Falle einer Weitergabe) die Gesundheit anderer massiv gefährden. Denn: Im Regelfall ist nicht bekannt, warum sie dort gelandet sind und was sonst noch in den Container gekippt wurde. Abgesehen von schnöder Verschwendung können auch Produktrückrufe (wie jüngst wegen möglicher Kontamination von Würsten mit EHEC), eine unterbrochene Kühlkette (v. a. bei Fleisch) oder Bruch zu den Gründen für die Entsorgung zählen – d.h., ein Verzehr dieser Lebensmittel ist nicht unbedenklich und kann gefährlich sein. Auch giftige Substanzen, Scherben, Nägel o. ä. in derselben Tonne stellen ein Risiko dar. Nicht jedes Lebensmittel, das im Müll landet und den Anschein erweckt als wäre es noch genusstauglich, ist also noch zum Verzehr geeignet.
2. Es löst das Problem nicht. Eine Legalisierung des Dumpsterns in Österreich hieße aus unserer Sicht, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Das Problem: Unzählige Tonnen genussfähige Lebensmittel wandern in Österreich jährlich in den Müll, während 420.000 Menschen unter schwerer Ernährungsarmut leiden. Dumpstern zu legalisieren, ist aber keine Lösung für die maßlose Verschwendung. Es ist keine Lösung dafür, dass genusstaugliche Lebensmittel bei uns einfach im Müll landen, weil sie z. B. nicht rechtzeitig abverkauft oder an Sozialvereine wie uns weitergegeben werden. Und schon gar keine, um die Armut in diesem Land wirkungsvoll zu bekämpfen. Solange es uns nicht gelingt, mit einem holistischen Blick auf die Lebensmittelverschwendung effiziente Maßnahmen dagegen zu treffen und ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für einen sorgsameren Umgang mit unseren Ressourcen zu schaffen, bleibt Dumpstern eine risikobehaftete, völlig fehlgeleitete Symptombehandlung. Aus welchen Beweggründen auch immer: Niemand sollte in Österreich in eine Mülltonne steigen müssen.