Alexandra Gruber und Caroline Heber

Dr. Alexandra Gruber (li.) und Univ.-Prof. Dr. Caroline Heber (© Institut für Finanzrecht der Universität Wien)

Allein in der EU werden jedes Jahr rund 59 Millionen Tonnen Lebensmittel im Wert von 132 Milliarden Euro im Müll entsorgt. Gleichzeitig können sich gut 8 % der europäischen Bevölkerung, das sind ca. 36 Millionen Menschen, nicht (mindestens) jeden 2. Tag eine Hauptmahlzeit leisten. Die Verschwendung von Lebensmitteln zu reduzieren und deren Weitergabe an bedürftige Menschen zu fördern, nimmt in der Europäischen Union einen hohen Stellenwert ein, und die EU verspricht im Rahmen der europäischen „Green Deal“-Initiative eine Halbierung der Lebensmittelverschwendung pro Kopf bis 2030.

In Österreich werden rund 1.000.000 Tonnen Lebensmittel jährlich weggeworfen, die Hälfte davon in Haushalten. Entlang der Wertschöpfungskette werden derzeit geschätzt ca. 20.000-25.000 Tonnen für die karitative Lebensmittelweitergabe gespendet, v. a. im (Groß-)Handel und in der Produktion. In beiden Bereichen sind die Warenspendenmengen bei Tafeln und anderen sozialen Organisationen aus unterschiedlichen Gründen (z. B. durch Bestelloptimierungen und eigene LEH-Abverkäufe) rückläufig. Daher liegen bei vielen sozialen Organisationen große Zukunftshoffnungen im Bereich der Lebensmittelrettung aus der Landwirtschaft und der Gemeinschaftsverpflegung. 

17,5 % (1,55 Mio.) der österreichischen Bevölkerung sind armutsgefährdet, darunter 353.000 Kinder und Jugendliche. Die Zahl jener Personen, die erheblich materiell und sozial depriviert sind, beträgt 2,3 % (derzeit über 200.000 Personen; vgl. 1,8 % in 2022). Diese leiden nach einem aktuellen Bericht des BMSGPK („Die sozialen Folgen der Inflation“, 2023) ganz besonders unter den Folgen der Inflation und werden auch weiterhin jede Unterstützung brauchen.  

Die Herausforderungen der karitativen Lebensmittelweitergabe sind vielfältig und betreffen v. a., aber nicht nur die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen, welche oft die Arbeit erschweren. So tun sich Warenspender:innen bisher oft schwer, Waren zu spenden, da sie diese eigentlich als Eigenverbrauch deklarieren müssen und somit keinen Vorsteuerabzug für diese Waren geltend machen können. Wenn diese allerdings als Abfall unter Annahme eines „Nullsteuersatzes“ (Verkaufswert von Null und somit eine Bemessungsgrundlage von Null) deklariert werden, kann die Vorsteuer geltend gemacht werden. So konnte es in der Praxis bisher passieren, dass Waren vom Warenspender als Abfall deklariert und dann gespendet wurden. Nicht verkehrsfähige Ware nach dem Lebensmittelgesetz darf jedoch per definitionem auch nicht mehr an karitative Organisationen weitergegeben werden.

Darüber hinaus kann eine Bemessungsgrundlage von 0 Euro nur dann angesetzt werden, wenn die Ware objektiv keinen Marktwert/gemeinen Wert mehr besitzt (Ware erzielt auf dem Markt keinen Preis mehr) – z. B. Ware kurz vor Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD). Die Weitergabe von Lagerüberschüssen, Saisonartikeln, Ware mit Verpackungsschäden etc. würde am Markt noch einen Wert erzielen, deshalb kann die Bemessungsgrundlage der USt nicht auf 0 Euro herabgesetzt werden.  Gerade für solche Warenspenden, die oft z. B. an Die Tafel Österreich gespendet werden, war die bisherige Rechtsprechung benachteiligend.

Eine kürzlich veröffentlichte Publikation des Instituts für Finanzrecht der Universität Wien mit einem EU-Ländervergleich und einem darin enthaltenen innovativen Vorstoß in Richtung Nullsteuersatz und ein in Kooperation mit der Tafel Österreich abgehaltener Runder Tisch mit Finanzexpert:innen aus unterschiedlichen Bereichen haben nun den Stein ins Rollen gebracht: Am Ostersonntag hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) verkündet, dass ab 2025 eine umsatzsteuerliche Neuregelung für Lebensmittelspenden kommt. So hat Professor Dr. Caroline Heber gemeinsam mit ihrem Team in einem kürzlich publizierten Ländervergleich herausgearbeitet, dass sich viele Mitgliedstaaten der Problematik annehmen und umsatzsteuerliche Lösungsansätze gefunden haben. Diese Lösungsansätze sind aber entweder nicht vollends geeignet, das Ziel, Lebensmittel zu spenden und nicht wegzuwerfen, zu erreichen oder nicht mit den unionsrechtlichen Regelungen kompatibel.

Genau deshalb war es für das Institut für Finanzrecht der Universität Wien so wichtig, einen Lösungsansatz in Richtung Nullsteuersatz für Lebensmittelspenden auszuarbeiten, welcher EU-rechtskonform ist.

Der Nullsteuersatz erfüllt damit den gleichen Effekt wie eine echte Steuerbefreiung. Die Lieferung ist in diesem Fall steuerbar und steuerpflichtig, die erhobene Umsatzsteuer beträgt allerdings null. Der Vorsteuerabzug bleibt dem Warenspender erhalten. Bewertungsunsicherheiten werden vermieden, weil die Umsatzsteuerschuld unabhängig von der Höhe der Bemessungsgrundlage null bleibt.  Dies alles ist mit der jetzt vom Institut für Finanzrecht ausgearbeiteten Empfehlung für einen Nullsteuersatz, den bisher nur Spanien umgesetzt hat, gelungen.

Aus Sicht der Tafel Österreich war es sehr wichtig, eine steuerliche Lösung zu finden, die entlang der Wertschöpfungskette (Landwirtschaft, Produktion, Gemeinschaftsverpflegung, (Groß-)Handel) gilt, da in früheren Stufen der Wertschöpfungskette oft einwandfreie Lebensmittel in großen Mengen gespendet werden, die nicht in die Klassifikation eines Warenwertes nahe Null fallen. Die Einführung eines Nullsteuersatzes würde in diesem Zusammenhang auch erfreulicherweise bedeuten, dass der individuelle Wert der gespendeten Lebensmittel erhalten bleibt und nicht hochwertige, einwandfreie Lebensmittel (z. B. Überschüsse aus der Landwirtschaft) mit Null bemessen werden müssen, was der Wertschätzung dieser tollen Warenspenden diametral widerspricht. Außerdem sollte am Beispiel anderer europäischer Länder eine Steuerbegünstigung bei der Weitergabe nur an solche Vereine erfolgen, welche diese zu 100 % an bedürftige Menschen (inkl. Sozialarbeit) weitergeben, damit armutsbetroffenen Personen auch tatsächlich aus der Not geholfen wird. In vielen anderen europäischen Ländern ist die Steuerbegünstigung auf die kostenfreie Weitergabe von Lebensmitteln an ausgewählte Sozialorganisationen begrenzt.

In jedem Fall sollte von allen Akteur:innen,  v. a. aber vom Warenspender selbst – auch im Sinne des kommenden SDG Reportings – mehr Wert auf Wirkung (Impact) gelegt und darauf geachtet werden, was mit seinen Warenspenden passiert (an wen werden sie weitergegeben, werden sie kostenfrei weitergegeben oder verkauft, ist professionelle Sozialarbeit vor Ort, wird die Lebensmittelsicherheit und –hygiene eingehalten, …). Ähnlich wie bei Geldspenden wäre es aus Sicht der Tafel Österreich diesbezüglich sehr zu begrüßen, zusätzliche Qualitätskriterien für die karitative, mildtätige Lebensmittelweitergabe einzubeziehen, wie sie das Spendengütesiegel bei finanziellen Spenden schon lange kennt. Diese würden dem Warenspender, genauso wie heute schon dem Geldspender, mehr Transparenz und eine höhere Sicherheit geben, dass die Spenden auch tatsächlich dort ankommen, wo sie am meisten gebraucht werden – nämlich bei armutsbetroffenen Menschen, die sich diese Lebensmittel nicht leisten können. Dies auch mit Hinblick auf die jetzt gelebte Praxis in Österreich, dass es einen fließenden Übergang zwischen mildtätigen, karitativen Vereinen, die diese Warenspenden kostenfrei weitergeben, und kommerziell orientierten Anbietern dieser Lebensmittelspenden gibt.

Zusammengefasst lässt sich aus Sicht der Tafel Österreich zur nun angekündigten USt-Regelung für Lebensmittelspenden folgendes festhalten: 

  • Mit der nun vom BML erfolgten Ankündigung ist ein erster, wichtiger Schritt auch in Österreich gesetzt, um Lebensmittelspenden aus dem jahrzehntelang vorhandenen Graubereich zu heben, der das Spenden von Lebensmitteln erschwert und viele Warenspender verunsichert hat.
  • Der vom Institut für Finanzrecht der Universität Wien vorgeschlagene Nullsteuersatz hat entscheidend dazu beigetragen, dass so rasch eine gute Lösung für Österreich gefunden werden konnte, die nicht wie viele andere europäische Lösungen der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie widerspricht. Die Initiative des Instituts für Finanzrecht, sich mit dieser so wichtigen Materie – auch im Sinne der SDGs – auseinanderzusetzen, wird vielen Spendern und Spendenbegünstigten in Zukunft dienlich sein.
  • Die vom BMF vorgeschlagene Lösung soll alle Stufen der Wertschöpfungskette betreffen, was sehr zu begrüßen ist.
  • Wie in anderen europäischen Ländern auch sollte diese steuerliche Begünstigung dazu dienen, die Lebensmittelspenden karitativen, mildtätigen Vereinen und somit zu 100 % armutsbetroffenen Menschen zukommen zu lassen. In vielen anderen europäischen Ländern wird dieses Kriterium durch die kostenfreie Weitergabe von Lebensmittelspenden an ausgewählte karitative, mildtätige Vereine sichergestellt. Auf die entsprechende Auswahl der Warenempfänger wird von Seiten des Warenspenders in jedem Fall mehr denn je zu achten sein.
  • Transparenz und ein entsprechendes Warenspenden-Monitoring vom Spender zum Empfänger werden wichtiger werden, um jeglichen Missbrauch von vornherein zu verhindern.
  • Zusätzliche Qualitätskriterien, wie von karitativen, mildtätigen Vereinen mit Warenspenden umzugehen ist, könnten in Zukunft – ähnlich wie bei Geldspenden seit langem etabliert (Beispiel Spendengütesiegel) – dem Spender die notwendige Gewissheit geben.
  • Eine Evaluierung des Nutzens durch das neue Gesetz sollte nach 2-3 Jahren erfolgen.