Lebensmittelgipfel: Wiener Tafel begrüßt positive Signale der Politik
Die Wiener Tafel hat beim Lebensmittelgipfel ihre Forderungen – u. a. bezüglich Forcierung und (steuerliche) Attraktivierung von Warenspenden für armutsbetroffene Menschen – bekräftigt. Sowohl Vizekanzler Werner Kogler, Sozialminister Johannes Rauch und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig als auch der Handelsverband Österreich sprachen sich für diesbezügliche Verbesserungen und verstärkte Kooperation aus. Jetzt müssen den Worten Taten folgen.
Wien, 09. Mai 2023 – Die Inflation und insbesondere die Teuerung bei Lebensmitteln bleiben ein enormes Problem in Österreich. Vor allem für jene 1,5 Millionen Österreicher:innen, die armutsgefährdet sind. Fast jede zehnte Person in diesem Land kann sich mittlerweile jeden zweiten Tag keine Hauptmahlzeit leisten – das heißt: Mehr als 500.000 Personen, ein Drittel davon Kinder, kann sich in Österreich nicht angemessen, geschweige denn gesund und ausgewogen ernähren.
Gleichzeitig landet jedes dritte Lebensmittel entlang der Wertschöpfungskette im Müll. Genau gegen diesen Missstand setzt sich die Wiener Tafel seit bald 25 Jahren ein, in dem sie Lebensmittel rettet und kostenfrei über soziale Einrichtungen an Menschen in Not weitergibt. Aktuell ist der Bedarf aber kaum noch zu decken – allein bei der Wiener Tafel ist die Nachfrage um 40 Prozent gestiegen, anderen Tafeln und Sozialmärkten in den Bundesländern ergeht es ähnlich.
„Der Hut brennt“: Wiener Tafel fordert rasches Agieren
Angesichts der prekären Situation appellierte Alexandra Gruber, Geschäftsführerin der Wiener Tafel, beim Lebensmittelgipfel gestern im Sozialministerium an Politik und Handel, jetzt Maßnahmen zu setzen. „Teuerung und Inflation verschärfen die Problemlage von armutsbetroffenen Personen, denn diese sparen am ehesten bei den Ausgaben für Lebensmittel. Gleichzeitig kämpfen karitative Organisationen wie die Wiener Tafel mit sinkenden Warenspenden und einem Wildwuchs von Vereinen, die vermeintlich dasselbe tun wie wir, hinter denen aber in Wahrheit ein Geschäftsmodell steht. Wir müssen gemeinsam rasch wirksame Maßnahmen für unsere Gesellschaft setzen – der Hut brennt.“
Gruber fordert – gerade in Krisenzeiten wie diesen, die uns als Gesellschaft insgesamt fordern – u. a. Vorrang für Warenspenden an gemeinnützige Organisationen wie die Wiener Tafel gegenüber Überraschungssackerln & Co., steuerliche Erleichterungen bzw. ein steuerliches Anreizsystem für Warenspender:innen, Fördertöpfe zur Lebensmittelrettung aus der Landwirtschaft für die karitative Weitergabe sowie mehr Bewusstseinsbildung bei den Konsument:innen gemeinsam mit dem Handel.
Commitment aus Politik, Landwirtschaft und Handel
Auch, wenn der Gipfel konkrete Ergebnisse vermissen ließ: Die Signale – zu fast allen vorgeschlagenen Lösungsansätzen – sind aus Sicht der Wiener Tafel erfreulich. Insbesondere, da sich alle Anwesenden einig waren, dass das einkommensschwächste Drittel der Bevölkerung stärker unterstützt werden muss. So beschloss Vizekanzler Werner Kogler sein Statement bei der Pressekonferenz mit „etwas sehr Positivem“ – nämlich, dass die Kooperation „sowohl der Handelsketten und Einzelhändler als auch der Produzenten in der Landwirtschaft mit den Tafeln verbessert werden soll“. Es gebe da noch „gewisse Möglichkeiten“, so Kogler.
Auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig sieht eine Ansatzmöglichkeit zur Unterstützung der Wiener Tafel, indem „die Landwirtschaft hier noch enger kooperiert“ und ortet hier Potenziale. Ebenso wie Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger, der die übertriebene Auslese von konsumtauglichen Produkten schon immer kritisiert und daher Möglichkeiten zur Unterstützung für die Wiener Tafel bei der Rettung von nicht normgerechtem Obst und Gemüse für armutsbetroffene Personen sieht.
Und Sozial- und Konsumentenschutzminister Johannes Rauch sieht neben mehr Bewusstseinsbildung (etwa zum Thema MHD) Möglichkeiten zur verstärkten Kooperation der Tafeln mit der Landwirtschaft. Weil „es weder für den Landwirtschaftsminister noch für den Sozialminister nachvollziehbar ist, dass Gemüse nur deshalb aussortiert wird, weil es krumm gewachsen ist“, so Rauch. „Das kann’s nicht sein.“
Rückenwind kam außerdem von Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Der Lebensmittelhandel wolle sein sozialpolitisches Engagement bei der Unterstützung von Sozialeinrichtungen und Tafeln weiter forcieren. Will befürwortet zudem nicht nur eine stärkere (finanzielle) Unterstützung von Sozialeinrichtungen beim Direktbezug von überschüssigen Lebensmitteln ab Hof, sondern spricht sich auch für steuerliche Begünstigungen sowie eine klarere Regelung des „rechtlichen Graubereichs“ bei der Lebensmittelweitergabe an karitative Organisationen aus.
Alexandra Gruber abschließend: „Auf so viel Zustimmung hätten wir kaum zu hoffen gewagt. Es wird sich allerdings weisen, ob auf die schönen Worte auch Taten folgen. Wir als Wiener Tafel kämpfen jedenfalls weiter mit aller Kraft gegen Lebensmittelverschwendung, Hunger und Armut in diesem Land.“
Über Die Tafel Österreich
Die Tafel Österreich, hervorgegangen aus der Wiener Tafel, ist die größte und älteste Tafelorganisation Österreichs. Sie versorgt seit 1999 armutsbetroffene Menschen in sozialen Einrichtungen kostenfrei mit geretteten Lebensmitteln mit dem Ziel der Armutsbekämpfung. So konnten 2022 rund 896 Tonnen Lebensmittel vor der Entsorgung bewahrt und an 28.000 Menschen in fast 100 Sozialeinrichtungen weitergegeben werden. Über die letzten 25 Jahre waren es mehr als 9 Mio. Kilogramm Lebensmittel für jährlich bis zu 30.000 armutsbetroffene Personen. Mit dem neuen Namen soll dieses österreichweite Alleinstellungsmerkmal und das Engagement gegen Armut, Hunger und Lebensmittelverschwendung noch besser sichtbar werden.
Rückfragehinweis
Mag. Verena Scheidl
Leitung Kommunikation
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tafel-oesterreich.at